Der Polarkreis-Marathon in Grönland (25.-26.10.25): Laufen auf dem Eis der Extreme
Mitten im Nirgendwo, weit über dem nördlichen Polarkreis, dort wo Eis, Schnee und Tundra die Landschaft dominieren, findet jedes Jahr im Oktober ein Lauf statt, der mehr ist als ein Sportevent. Der Polarkreis-Marathon in Grönland – von vielen als „der coolste Marathon der Welt“ bezeichnet – führt seine Teilnehmer durch eine der unwirtlichsten, aber zugleich atemberaubendsten Regionen unseres Planeten. Wer hier antritt, läuft nicht nur gegen die Uhr, sondern auch gegen die Elemente – gegen klirrende Kälte, böigen Wind, rutschiges Terrain und die eigene mentale Erschöpfung. Und das macht ihn zu einer der aussergewöhnlichsten Laufveranstaltungen der Welt.
Austragungsort dieses frostigen Abenteuers ist Kangerlussuaq, eine kleine Siedlung in Westgrönland, rund 100 Kilometer vom Inlandeis entfernt. Es ist einer der wenigen Orte im Land, die das ganze Jahr über per Flugzeug erreichbar sind – und so etwas wie das Tor zum grönländischen Eis. Ende Oktober, wenn die Temperaturen hier meist weit unter den Gefrierpunkt sinken und das Tageslicht knapp wird, reisen Läuferinnen und Läufer aus aller Welt an, um Teil dieses einzigartigen Marathons zu werden. Bereits die Ankunft fühlt sich an wie ein Schritt in eine andere Welt. Es ist still, kalt und weit – und der Horizont scheint grenzenlos.
Der Marathon selbst ist eine Kombination aus sportlicher Herausforderung und Naturerlebnis. Die Strecke beginnt auf einer vereisten Schotterstrasse, die sich langsam durch das weissgraue Land zieht, vorbei an Gletscherzungen, gefrorenen Seen und Schneefeldern. Doch der eigentliche Höhepunkt wartet einige Kilometer nach dem Start: ein Abschnitt auf dem grönländischen Inlandeis. Wer hier laufen möchte, muss Spikes tragen – ohne sie ist der rutschige, wellige Eisuntergrund schlichtweg nicht zu bewältigen. Dieser Teil der Strecke ist nicht nur physisch anspruchsvoll, sondern verlangt auch äusserste Vorsicht: Das Verlassen der markierten Route ist strengstens untersagt, denn das Inlandeis birgt verborgene Spalten und gefährliche Hohlräume.
Was den Lauf so besonders macht, ist aber nicht nur die Strecke, sondern auch die Umgebung. Während des Rennens bewegt man sich durch eine fast ausserirdisch anmutende Landschaft. Weite, einsame Ebenen wechseln sich ab mit Gletscherflanken und bizarren Moränenhügeln. Es gibt keine jubelnden Zuschauermassen, keine Musik, keine urbanen Ankerpunkte – nur die Läufer selbst, der Schnee unter den Füssen und das dumpfe Geräusch der Schritte in der arktischen Stille. Und manchmal, wenn der Wind für einen Moment nachlässt, ist da nur das eigene Herzklopfen, das man über das Knirschen des Eises hören kann.
Die Wetterbedingungen sind, selbst für erfahrene Marathonläufer, eine echte Herausforderung. Temperaturen von unter –10 °C sind nicht ungewöhnlich, der Wind kann die gefühlte Kälte noch deutlich verstärken. Man muss sich in mehreren Lagen kleiden, atmungsaktiv, aber zugleich wärmend. Das richtige Schuhwerk ist entscheidend, ebenso wie eine gute Vorbereitung auf das wechselhafte Terrain. Denn die Strecke wechselt häufig: Von hart gefrorenem Boden über weichen Schnee bis hin zu glatten Eisschichten ist alles dabei.
Wer möchte, kann am folgenden Tag noch einen Halbmarathon absolvieren – ein Angebot, das viele Teilnehmer nutzen, um sich der sogenannten „Polar Bear Challenge“ zu stellen. Dabei laufen sie am Samstag den Marathon und am Sonntag den Halbmarathon – und erhalten neben Ruhm und Muskelkater auch eine eigene Medaille für diese besondere Leistung. Doch egal ob Marathon, Halbmarathon oder beide: Jeder, der das Ziel erreicht, hat sich gegen die arktischen Bedingungen durchgesetzt und ein unvergessliches Abenteuer erlebt.
Die Organisation des Laufs ist durchdacht und professionell, aber eben auch auf das Minimum reduziert. Wegen der abgelegenen Lage ist die Teilnehmerzahl begrenzt – nur wenige hundert Startplätze werden jedes Jahr vergeben. Viele Athleten buchen ihre Teilnahme im Rahmen einer organisierten Reise, die neben dem Lauf auch Briefings, Unterkunft, Transfers und gemeinsame Abendessen umfasst. So entsteht oft ein besonderes Gemeinschaftsgefühl: Fremde, die sich unter extremen Bedingungen gegenseitig anfeuern, werden nicht selten zu Freunden fürs Leben.
Der Polarkreis-Marathon ist nicht einfach nur ein Rennen. Er ist ein Erlebnis. Ein Abenteuer. Eine Reise in eine Welt, die sich der menschlichen Kontrolle entzieht. Es ist eine Gelegenheit, die eigene Komfortzone weit hinter sich zu lassen – und dafür mit einem Gefühl belohnt zu werden, das sich schwer in Worte fassen lässt: der Stolz, etwas wirklich Aussergewöhnliches geschafft zu haben.
Wer genug hat von überfüllten Stadtmarathons, perfekten Asphaltstrassen und Selfie-Spots am Streckenrand, der findet hier in Grönland eine Alternative, die tiefer geht. Die kälter ist. Härter. Aber auch ehrlicher. Und vielleicht ist genau das die eigentliche Faszination dieses Laufs am Ende der Welt.
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Quellen: https://visitgreenland.com/de/events/the-polar-circle-marathon/ & https://polar-circle-marathon.com/ (abgerufen am 03.10.2025)